Aus dem Sanierungsleitbild ließen sich die drei Arbeitsfelder Wasser, Boden, Kanal und als übergreifendes Arbeitsfeld die TRI-Halde ableiten.
Da beim Projektstart auf Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten und Standorten nicht zurückgegriffen werden konnte, war grundlegende Entwicklungsarbeit zu leisten. Es wurden verschiedene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (F+E) durchgeführt und damit wichtige fachlich-inhaltliche Grundlagen für die Vorbereitung und Durchführung der Sanierung erarbeitet. Hiervon profitiert das Projekt bis heute.
Die hydraulische Sicherung dient zusammen mit dem Grundwassermonitoring dem Schutz der Schutzgüter "Grundwasser" und "Oberflächenwasser".
Durch den Betrieb der Brunnen und die Veränderung der hydraulischen Bedingungen wird ein Abströmen belasteten Grundwassers aus dem Bereich der hydraulischen Sicherung wirksam verhindert. Erst in ihrem Schutz können die an den Standorten durchgeführten Sanierungsmaßnahmen im Boden stattfinden. Ohne die hydraulische Sicherung kann keine Sanierung des Bodens erfolgen.
Auch nach den umfangreichen Bodensanierungsmaßnahmen der letzten Jahre existieren diffus verteilte Restkontaminationen in der ungesättigten Zone und im Grundwasserleiter, deren Sanierung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre. Darüber hinaus sind einige Flächen mit Handlungsbedarf verblieben, die teilweise außerhalb der hydraulischen Sicherung liegen. Das verbliebene Schadstoffpotenzial wird in Stadtallendorf auf ca. 30 bis 40 t STV geschätzt.
Ziel des Grundwasser-Monitorings ist die zeitnahe Bereitstellung von Informationen für Entscheidungsträger (Behörden, Betreiber Wasserwerk) zum Schutz der Trinkwasserversorgung.
In einem Prozess der Analyse zum Informationsbedarf (hydrogeologisches System) und der Datenerhebung und -auswertung aller hydrogeologischen und hydrochemischen Daten sind dabei Rückkopplungen und Anpassungen erforderlich. Im Einzelnen bestehen folgende Aufgaben:
Das Monitoring-Programm beinhaltet eine Mindest-Parameterliste, die bei Bedarf erweitert wird.
Im Rahmen des Grundwasser-Monitorings werden Wasserstandsmessungen und chemische Analysen an den Abschöpfbrunnen, an den Trinkwasserbrunnen des ZMW und an den Grundwassermessstellen durchgeführt. Es werden derzeit 162 Grundwassermessstellen und Brunnen überwacht.
Die Ergebnisse des Grundwasser-Monitorings werden im zeitlichen Abstand von ca. 6 Monaten in Statusberichten den Projektbeteiligten vorgelegt.
Die Grundwasserqualität im 1. Stockwerk ist durch die sprengstoffspezifischen Schadstoffe beeinträchtigt. Im 2. Stockwerk treten nur im oberen Bereich Belastungen auf. Das 3. Stockwerk ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand unbelastet. Die Förderbrunnen beziehen den Hauptteil des zu Trinkwasser aufbereiteten Grundwassers aus dem 2. und 3. Grundwasserstockwerk.
Der Ort der Bodenbelastungen und die räumliche Schadstoffverteilung im 2. Grundwasserstockwerk sind wegen der komplizierten vertikalen und lateralen Transmissionswege (Kaskadenmodell) in der Regel nicht identisch. Die hydraulischen Verhältnisse (Potenzialsperre, stauende Schichten) hemmen in weiten Bereichen des DAG-Gebietes den Schadstoffeintrag in das 2. Grundwasserstockwerk. Die Grundwasserförderung zur Trinkwassergewinnung senkt lokal die Grundwasserdruckfläche des 2. Stockwerks so weit ab, dass die natürliche Potenzialsperre aufgehoben wird.
Markierungsversuche zeigen, dass es mehrere Fließsysteme mit stark unterschiedlichen Transporteigenschaften gibt. Die Abstandsgeschwindigkeiten weichen trotz annähernd gleicher hydraulischer Gradienten um rund eine Zehnerpotenz voneinander ab. Es sind eine starke Abhängigkeit der Grundwasserfließrichtungen von vorherrschenden Kluftrichtungen (Anisotropie) und räumlich stark variierende Abstandsgeschwindigkeiten sowie Dispersivitäten (Heterogenität) festzustellen.
Bei den Grundwasserbelastungen dominieren 2,4,6-TNT und 4-A-2,6-DNT. Südlich und nördlich tritt zusätzlich Hexogen auf. In Bereichen mit abwasserbedingten Kontaminationen (z.B. Kleinniederung und Münchbach-Aue) sind die MNT die Hauptkontaminanten im Grundwasser.
Das Spektrum der Belastungen ist sowohl vertikal (stockwerksbezogen) als auch lateral unterschiedlich. Im Sickerwasser der TRI-Halde werden Gehalte im Löslichkeitsbereich für die MNT über 300.000 µg/l für 2-MNT nachgewiesen. In den oberflächennahen, schwebenden Stockwerken innerhalb der Solling-Formation liegen die Konzentrationen bei ca. 7.500 µg/l bis 13.000 µg/l. Im nahen Abstrom des 1. Hauptgrundwasserleiters sind Gehalte zwischen 50 und 8.000 µg/l für den Parameter 2-MNT nachzuweisen. Im weiteren Abstrom liegen die Gehalte unterhalb von 20 µg/l für 2-MNT. Die seit 1999 untersuchten, sehr mobilen polaren Abbauprodukte der STV im Grundwasser (Sulfonsäuren und Benzoesäuren) liegen im gesamten Untersuchungsgebiet vor und erreichen die Konzentrationen der Ausgangsprodukte. Ihr Anteil erhöht sich mit zunehmender Entfernung von der Schadstoffquelle.
Die Schadstoffgehalte im Grundwasser sinken seit Beginn des Grundwasser-Monitorings leicht ab bzw. stagnieren, zeigen aber weiterhin große Schwankungen.
Eines der obersten Ziele der Sanierung ist die langfristige Sicherung der Wassergewinnung aus dem Wasserwerk Stadtallendorf.
Der Grundwasserschutz erfolgt durch Verminderung der Schadstoffmenge im Boden durch Sanierung von Belastungsschwerpunkten in Verbindung mit lokalen und standortbezogenen Maßnahmen der hydraulischen Sicherung und unter Berücksichtigung natürlicher Abbau- und Rückhaltevorgänge im Boden.
Die Förderungen zur Trinkwassergewinnung und zur hydraulischen Sicherung werden betrieblich so aufeinander abgestimmt, dass sie sich gegenseitig nicht beeinträchtigen. Der quantitative Eingriff in den Wasserhaushalt durch hydraulische Sicherungsmaßnahmen wird durch eine Optimierung der hydraulischen Sicherung minimiert. Die Trinkwassergewinnung darf durch die notwendigen Sicherungs-/Sanierungsmaßnahmen zu keinem Zeitpunkt qualitativ oder quantitativ beeinträchtigt werden.
Seit Inbetriebnahme der hydraulischen Sicherung im Mai 1995 wurden bis Ende 2022 insgesamt ca. 12.147.131 m³ Wasser zur Reinigung über das Wasserwerk 3 geführt. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 2.495,2 kg sprengstofftypische Verbindungen aus dem Grundwasser entfernt.
Im Bereich der TRI-Halde wurden seit der Inbetriebnahme ca. 4.312 kg sprengstofftypische Verbindungen (1984 bis Ende 2022) zusätzlich entfernt. Hiervon entfallen ca. 3.040 kg auf den Zeitraum 1995 bis 2022.
Bei der Trinkwassergewinnung ist es in diesem Zeitraum nicht zu Beeinträchtigungen gekommen.
Die Bodensanierung begann 1996. Insbesondere auf Flächen, auf denen nutzungsbezogene Eingreifwerte überschritten werden, erfolgte seitdem ein nutzungsbezogener Bodenaustausch bis in 1 m Tiefe. Für industriell-gewerbliche und Verkehrsflächen sind auch Bodenüberdeckung und Versiegelung sowie Nutzungseinschränkungen möglich.
Eine grundwasserbezogene Bodensanierung erfolgt bis in 3 m Tiefe durch Bodenaustausch. Bei relevanten Kontaminationen in größeren Tiefen kann der Bodenaustausch nach Einzelfallentscheidung vorgenommen werden. Die Sanierung ist begrenzt auf den Lockergesteinsbereich.
In Stadtallendorf wurden ca. 350.000 t Boden bewegt und eine Entfrachtung von ca. 850 t STV erreicht.
Die größten Belastungsschwerpunkte, die TRI-Halde in Stadtallendorf (96.000 t / 270 t STV) und die Kleinniederung (32.000 t / 8,8 t STV), wurden entfernt.
Bis zum 31.12.2015 wurden insgesamt im Rahmen der Bodensanierung
Von 1996 bis 2004 wurde ein ca. 70 km umfassendes Kanalnetz erkundet. Belastete Kanalabschnitte wurden gereinigt und stillgelegt. In Betrieb befindliche Haltungen wurden dem Nutzer übertragen oder im Rahmen der Bodensanierung entfernt.
Bei der Hochdruckspülung wurde der Altkanal mit bis zu 120 bar Wasserdruck über rotierende Spüllanzen gereinigt. Die Spülung erfolgte in der Regel gegen die Fließrichtung. Das Reinigungsziel der Hochdruckspülung galt als erreicht, wenn innerhalb der Kanalhaltung noch ein fester Belag sprengstofftypischer Verbindungen von weniger als 2 bis 3 mm an der Rohrwandung vorhanden war.
Sprengstofftypische Ablagerungen aus dem Spülgut wurden vom Sprengstoffbefähigten in der Spülwasserannahmestation abgesammelt und in das Sprengstofflager verbracht. Beim Auffinden festsitzender Sprengstoffschollen wurden diese im Nachgang der Kanalerkundung entweder durch Aufgraben der Haltung oder durch nochmalige, verstärkte Hochdruckspülung freigespült.
Es wurden weitaus mehr Kanäle und Schächte entdeckt, als auf Bestandsplänen dargestellt waren; die Bestandspläne der Stadt konnten umfassend ergänzt werden. Im Vergleich zu den Bestandsplänen betrugen die Lageabweichungen der Schächte und Haltungen z.T. bis zu mehreren Metern. Punktuelle Schadstoffquellen, wie Feuerbogenschüsseln und TNT-Abscheider, aber auch verdeckte Schächte wurden durch die Kanalerkundung aufgefunden und saniert.
Der bauliche Zustand der Altkanalisation, z.T. auch der genutzten Kanäle, ist kritisch; vielfach sind Scherben-, Rissbildungen und Fremdwasserinfiltration zu beobachten. Die Haltungstiefen der Altkanalisation betrugen bis zu 10 m. Gesprengte Altgebäude werden über die noch bestehenden Hausanschlüsse entwässert, die Sickerwässer sind teilweise hoch belastet.
Die Stilllegung nicht genutzter Haltungen erfolgte mit dem Ziel, Setzungen zu verhindern, die sich bis an die Oberfläche bemerkbar machen und das Versickern von kontaminiertem Wasser zu behindern.
Es wurden Handlungsoptionen für die Kanalstilllegung (Art der Stilllegung: Verdämmung / Abmauerung / Auskofferung) abhängig von baulichem Zustand, Haltungstiefe und Durchmesser) festgelegt.
Die Stilllegung wurde in der Regel durch Abmauern der Kanäle in den Schächten oder durch Verfüllen der Kanäle durch eine betonähnliche Suspension (Verdämmung) ausgeführt.
Kanäle, die nach insgesamt dreimaliger Hochdruckreinigung noch Restkontamination aufwiesen, wurden verdämmt, um die restlichen Schadstoffe zu immobilisieren.
Durch nachhaltige Kontrolle des Dämmereintrags konnte nahezu ein 100%iger Verdämmerfolg erzielt werden.
Haltungslängen bis zu 250 m konnten in einem Arbeitsschritt verdämmt werden.
Der Einsatz von Presskolben hat sich bei Verdämmung von Anschlussleitungen eines in Nutzung befindlichen Schachts bewährt.
Haltungen ohne Endschacht konnten mit verlorenen Rohr (DN 50) verdämmt werden, um eine Entlüftung beim Einfließen des Dämmers zu gewährleisten. Dieses Rohr wurde vorab manuell in die zu verdämmende Haltung eingeführt und verblieb nach Abschluss des Verdämmvorgangs. Es konnten bis zu ca. 30 m verlorenes Rohr in eine Haltung eingeschoben werden.
Verdämmung größerer Haltungslängen konnten nur mit einer entsprechenden Entlüftung am Endpunkt der Haltung erreicht werden.
Zwischen 1996 und 2004 wurden Kanäle mit einer Gesamtlänge von 77,95 km untersucht. Dabei handelt es sich um 62,36 km Altkanäle und 15,59 km nach 1945 gebaute Neukanäle, die im Auftrag der Stadt untersucht wurden. Im Auftrag der Stadt und des AAK wurden 43,37 km der Gesamtlänge gemäß Eigenkontroll-Verordnung untersucht. Mehr als 11 km Altkanäle wurden nicht untersucht, da dies nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich gewesen wäre. Ein kleiner Teil (ca. 1,5 km) der Altkanalisation musste nicht erkundet werden, da hier auf aktuelle Erkundungsdaten der Stadtwerke zurückgegriffen werden konnte.
Nach heutigem Kenntnisstand (2005) hat das Altkanalnetz eine Haltungslänge von über 73 km. Das sind 13 km mehr, als zu Beginn der Kanalerkundung angenommen wurden.
Bei der Erkundung wurden 2.905 kg z. T. kristalliner Sprengstoff direkt aus den Schächten entnommen bzw. aus den Kanälen herausgespült. Insgesamt wurden 2.841 m³ kontaminiertes Spülwasser mit einer Belastung von bis zu 826.000 µg/l STV aus der Kanalspülung in der Wasseraufbereitungsanlage in Hirschhagen beseitigt.
Insgesamt wurden 32.357 m der Kanalisation stillgelegt. Dabei wurden 4.108 m abgemauert, 1.135 m Haltungen entfernt und 27.114 m verdämmt.
Auf der TRI-Halde wurden seit Anfang der 1940er Jahre während des Betriebs der Sprengstoffwerke Allendorf Produktionsrückstände mit hohen sprengstoffspezifischen Schadstoffgehalten abgelagert. Auf der ca. 240 m langen und 50 m breiten Halde lagerten insgesamt etwa 57.000 m³ Material (ca. 80.000 t). Die Basis der TRI-Halde wurde nicht abgedichtet. 1955 wurde die TRI-Halde abgedeckt, 1971 eine Folie eingebaut.
Das auf der Grundlage einer Machbarkeitsstudie entwickelte Konzept zur Sanierung der Halde sah folgende wesentliche Elemente vor:
Die Infrastruktur für die Sanierung wurde im Jahr 2002 aufgebaut. Der Abtrag erfolgte vom Januar 2003 bis zum September 2004. Nach Abschluss der Rückverfüllung im November 2004, wurde die Infrastruktur im Jahr 2005 zurückgebaut. Die thermische Behandlung des kontaminierten Materials war Ende 2006 abgeschlossen.